Zur Situation freier Musiker in Brandenburg

Musiker

Redebeitrag als Vertreter des DTKV Landesverband Brandenburg e. V. zur Situation freier Musiker in Brandenburg im Rahmen der 29. Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur am 21.6.2017 im Landtag Brandenburg:

„Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde der Kultur,
ich bedanke mich ganz herzlich für die Einladung, hier im Namen des Tonkünstlerverbandes Brandenburg sprechen zu können. Unser Vorsitzender, Herr Thomas Heyn, konnte heute aus beruflichen Gründen nicht kommen, weshalb das Präsidium auf mich zukam, wohl in der Annahme, ich könne dieses Thema gut vertreten. Es ist auch nicht ganz abwegig, denn hier geht es heute um die Situation von freien Künstlern, und ich bin ein solcher, also ein freier Künstler, und das mittlerweile sogar auch in Brandenburg, nämlich seit acht Jahren. Verzeihen Sie bitte auch im Vorhinein, wenn ich als solcher meinen Anmerkungen hin und wieder einen philosophischen Anstrich gebe.
Kurz zu meiner Person: Ich bin als Sohn einer Pianisten- und Pädagogenfamilie 1975 in Delmenhorst geboren, habe in Köln und Wien Klavier studiert und hatte nach einigen Wettbewerbserfolgen einen guten Start in die Freiberuflichkeit, die ich 2003 begann.

Bei einer CD-Produktion mit dem Brandenburgischen Staatsorchester habe ich meine Frau kennengelernt und lebe nun mit ihr und unserem gemeinsamen, mittlerweile 7-jährigen Sohn in Frankfurt. Ich bin also etwas sesshafter geworden, habe meine Arbeitsfelder etwas verbreitert. 2013 habe ich dort eine eigene Musikschule gegründet, habe ein kleines Festival ins Leben gerufen, engagiere mich etwas kulturpolitisch und in einigen kulturtragenden Vereinen und Verbänden, wie eben zum Beispiel auch im Tonkünstlerverband, in dem ich lange Jahre schon Mitglied bin.
Der Tonkünstlerverband ist der größte Musikverband in Deutschland, mit aktuell ca. 8300 Mitgliedern, die in 16 Landesverbänden organisiert sind. Die Mitglieder sind beispielsweise Musikpädagogen, Musiker oder Komponisten und müssen eine qualifizierende Ausbildung, in der Regel ist das ein Hochschulstudium, nachweisen. Dass ein solcher Verband dringend notwendig ist, zeigt sich immer wieder, in allen möglichen Situationen. Es herrscht oft Unkenntnis über die Lebenswirklichkeit, Arbeitsweise, Denkweise und Qualifikation von Künstlern. Und dies ist für die Musikberufe nicht unbedingt von Vorteil. Es ist eine Aufgabe des DTKV, dies zu verbessern. Da die Mehrzahl der Mitglieder bei uns ein klassisches Hochschulstudium absolviert hat, und das meist im traditionellen Musikbereich, spreche ich jetzt vor allem über diese, und da insbesondere für die freien Einzelkünstler und Ensembles.

Ich finde es immer wichtig zu erwähnen, dass es eine Besonderheit gegenüber anderen Studiengängen ist, dass man für ein Musikstudium eine Aufnahmeprüfung bestehen muss, die – insbesondere in den künstlerischen Studiengängen – durch die internationale Konkurrenz schwer zu schaffen ist. Man kann davon ausgehen, dass ein Aufnahmekandidat im Alter von 18 Jahren schon eine 13-jährige Berufsausbildung hinter sich hat, also schon von Kindesbeinen an ein Leistungsträger ist. Da findet eine gewaltige Auslese statt.
Nach dem Studienabschluss werden die meisten Absolventen realistischerweise selbstständig. Ein Teil der Einzelkünstler und Ensembles haben, bedingt z. B. durch Wettbewerbserfolge oder als Ergebnis von Förderstipendien, einen guten Start, oft eine umfangreiche Konzerttätigkeit; andere trifft der freie Markt mit dem Verlassen des geschützten Bereiches der Hochschule härter.
Wir haben in Deutschland glücklicherweise eine kulturelle Infrastruktur, für die man uns weltweit beneidet. Auch in Brandenburg wird es Künstlern in der Regel ermöglicht, in ihrem Bereich zu arbeiten und zu überleben. Eine soziale Errungenschaft. Die Förderung von Kultur, auch die für die klassischen Künstler so wichtige Förderung der traditionellen Musikkultur, wird derzeit noch nicht grundsätzlich infrage gestellt, und darüber sollte man sich freuen; allerdings muss man auch dafür arbeiten, dass es so bleibt.
Die Motivation, Musik zu studieren, entsteht nicht aus der Idee, Reichtümer anzuhäufen. Allerdings sollte man den Beruf auch nicht idealistisch überhöhen: Wenn Robert Schumann schrieb, dass die Aufgabe eines Künstlers darin bestehe „Licht in die Herzen der Menschen zu senden“, dann hatte er sicher recht. Dass man Menschen im Herzen mit Musik stark berühren und das sehr erfüllend sein kann, ist ohne Frage richtig und motiviert auch mich immer wieder von Neuem. Leben muss man von seinem Beruf aber auch. Wer das kann, erzeugt offensichtlich manchmal aber sogar auch Ratlosigkeit: Beim sogenannten Karrieretag meines Rotary Clubs, bei dem den Schülern eines Gymnasiums Berufe der Mitglieder vorgestellt werden, hatten sich unerwartet viele Schüler bei mir, der unter dem Beruf „Künstler“ geführten Person, angemeldet, waren dann aber offensichtlich enttäuscht darüber, dass ich mir einen Anzug leisten konnte. Das Bild des von der Hand in den Mund lebenden Künstlers ist noch nicht überwunden, auch nicht die Annahme, nur ein leidender Künstler sei ein guter Künstler.

So gut wie jeder wird aber nicht sein Leben lang ausschließlich vom Konzertieren leben, sondern seine Tätigkeitsfelder erweitern. Dies ist eigentlich auch historisch gesehen eine völlig normale Sache und keineswegs ein Zeichen dafür, es „nicht geschafft zu haben“. L. van Beethoven unterrichtete, spielte und komponierte. Und oft genug waren Komponisten und Künstler gute Manager in eigener Sache. Vom Komponisten Max Reger ist die Aussage überliefert: „Der Fall Reger muss chronisch werden.“ Sie sehen: Gute Marketingslogans gab es auch schon damals. Der Künstler erwirtschaftet aus verschiedenen Teilbereichen sein Einkommen. Neben dem Konzertieren steht dabei an erster Stelle das Weitergeben von Wissen und Erfahrung an den Nachwuchs durch das Unterrichten. Dies passiert auf den unterschiedlichsten Ebenen – in einer Musikschule, einer Hochschule oder privat. Dort ist das Geldverdienen allerdings nicht leicht: Als privat unterrichtender Lehrer hat man schon mal das Problem mit dem Selfmademusiker, der für 10 Euro die Stunde Unterricht für alle Instrumente anbietet – ein Ergebnis auch davon, dass Musikberufe nicht geschützt sind.

Musikschulen profitieren zwar von den hoch qualifizierten Musikern, die oft auch die Fächervielfalt ermöglichen, und zahlen sicher, so gut sie können (so ist zu mindestens meine Hoffnung), aber eben gering. Im Hochschulbereich ist die Bezahlung der Lehrbeauftragten (immerhin formal ein Ersatzlehrer für den Professor) oft schon als skandalös zu bezeichnen. Professuren gibt es immer weniger, von den befristet beschäftigten Lehrbeauftragten dagegen immer mehr. Der sogenannte akademische Mittelbau ist nur sehr reduziert vorhanden. Laut Künstlersozialkasse erreichen die Einkommen im Durchschnitt häufig weniger als die Höhe des durchschnittlichen Einkommens in Deutschland. Damit stehen sie ohne Frage im Widerspruch zur Qualifikation, ohne jetzt behaupten zu wollen, dass es dies in anderen Berufen nicht auch gäbe; aber die Bezeichnung „akademisches Preketariat“ ist nicht ganz unbegründet. Wie sich die Situation zukünftig entwickeln wird, hängt wohl entscheidend von politischen Entscheidungen ab. Dazu kann man viel sagen, auch viel diskutieren. Ich greife mal folgende Punkte auf: Wir dürfen uns in Deutschland nicht zur Projektrepublik entwickeln. Natürlich weiß ich auch, dass es Politikern oft den Schweiß auf die Stirn treibt, wenn es um dauerhafte Förderungen geht. Im Sinne der Qualität ist dies aber notwendig.

Es wäre auch gut zu prüfen, warum trotz der Förderung im kulturellen Bereich dennoch oft wenig bei den Künstlern ankommt. Schon im Hinblick auf die gesellschaftliche Bedeutung kultureller Bildung sollte man vor allem in diesem Bereich – und gerade in einem Flächenland wie Brandenburg – darüber nachdenken, wie man die Einkommenssituation der Lehrenden verbessern kann, und die gängige Förderpraxis grundsätzlich überprüfen. Was man aber auf jeden Fall vermeiden sollte, ist, die Rahmenbedingungen für selbstständige Künstler zu erschweren. Man sollte sich über jeden freuen, der mit Idealismus und Mut den Weg in die Selbstständigkeit wählt und mit seinen kulturellen Aktivitäten seinen Beitrag dazu leistet, die Gesellschaft geistig und seelisch zu bereichern, und ihn dabei unterstützen – gerade heutzutage! Ein Beispiel: Wenn selbst die höchsten Abschlüsse in Brandenburg nicht mehr dafür ausreichen sollen, um an einer Musikschule steuerbegünstigt zu unterrichten, wird man nachdenklich und hat die Sorge, dass Künstler vor dem Hintergrund der eben beschriebenen finanziellen Situation keine Motivation mehr verspüren, sich für diesen Beruf zu entscheiden. Aber so weit wird es nicht kommen, da vertraue ich jetzt einfach mal darauf. Die Bereitschaft zum Dialog mit den Verbänden ist ja immerhin vorhanden.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.“